Pünktlich zum Fußball?

Heute muss ich pünktlich zuhause sein. Um 21:00 Uhr ist Anpfiff für das Champions-League-Spiel Liverpool gegen Bayern. Zwischen mir und dem Spiel steht nur noch meine Tagung und die Rückfahrt mit der Bahn. Ob es heute mal ohne Verspätung oder Zugausfall geht?

 

16:15 Uhr - Super, meine Tagung ist sogar etwas früher zu Ende. Ob ich noch einen früheren Zug schaffe? Die Bahn-App zeigt mir an, dass um 16:27 Uhr ein ICE Richtung Köln fährt. Aber 1,2 km in 12 Minuten? Und das ganze mit Koffer, Kleidersack und Laptoptasche?? Natürlich fährt heute der ICE pünktlich ab! Super, wenn man mal eine Verspätung braucht ...

 

Aber egal, ich verabschiede mich nur ganz kurz von den Kollegen, schnappe meine Tasche und stürze zum Aufzug. Vom 6. Stockwerk bis zum Erdgeschoss, kann es eigentlich ganz schnell gehen. Aber dann: Der Aufzug stockt im 5. Stock, im 3., im 2. und im ersten Stock. Immer wieder steigen nette und gut gelaunte Kollegen ein und aus - aber mir läuft die Zeit davon.

 

Als ich aus dem Foyer renne, registriere ich: So schaffe ich das auf keinen Fall mehr! Ich habe nur noch eine Chance - die U-Bahn-Station am Willy-Brandt-Platz! Kurzentschlossen sprinte ich die Treppen runter und hoffe, dass möglichst bald die S5 zum Hauptbahnhof kommt. Nur eine Station - das könnte gerade noch klappen! Und tatsächlich - in einer Minute kommt die S-Bahn! Klasse!

 

Nervös stehe ich an der Wagontür und warte auf die Einfahrt in den Hauptbahnhof. Die Türen öffnen sich und ich starte im Vollsprint! Auf der Rolltreppe ist das Motto angesagt: "Rechts stehen - links gehen!" So komme ich doppelt so schnell vorwärts! Allerdings nicht ohne den einen oder anderen Rempler - wozu so eine Laptoptasche doch gut ist!

 

Die zweite Rolltreppe ist total voll, hier ist ein "links gehen" nicht drin. Also über die normale Treppe und gleich 2 Stufen auf einmal. Puh, so langsam komme ich auf Temperatur! Oben angekommen geht es noch quer durch die Bahnhofshalle zum Gleis 19! 16:27 Uhr - jetzt gilt es!

 

Und dann das Wunder! Der ICE steht tatsächlich noch am Gleis. Freundliche Schaffner begrüßen mich mit Handschlag und weisen mir den Weg zum richtigen Wagon. Trotzdem ich keine Reservierung habe, finde ich auf Anhieb einen freien Platz. Rückblickend hätte ich spätestens an dieser Stelle stutzig werden sollen! Das ist doch nicht normal, oder??

 

Auch in Köln ist noch alles ganz prima. Ich komme nach Plan an, die App zeigt, dass der ICE Richtung Hamm pünktlich abfährt - also alles klar. Am Bahnsteig stutze ich dann doch, als zur angegebenen Zeit ein Regionalexpress einfährt. Die App zeigt jetzt, dass sich mein ICE aus heiterem Himmel entschieden hat, heute auszufallen. Der Regionalexpress fährt zwar nur eine Minute später ab, wie der ICE, allerdings ist die Ankunftszeit in Hamm natürlich eine andere. 19:46 Uhr - na ja, wenn ich mit dem Auto zuhause angekommen bin, werde ich wohl nur 15 Minuten der ersten Halbzeit verpasst haben - das geht ja noch!

 

Boah - diese Fahrt zieht sich! Von Köln Hauptbahnhof über Düsseldorf, Mühlheim. Wattenscheid, Essen, Dortmund usw. sind es mal schlappe 16 Zwischenstationen! Und auffällig, dass wir an jedem 2. Halt zusätzlich 3-5 Minuten stehen, obwohl alle Fahrgäste schon längst ein- oder ausgestiegen sind. Die Verspätungen summieren sich langsam.

 

Und als absoluter Höhepunkt stehen wir dauerhaft in Kamen, dem Bermudadreieck Westfalens. Tja, keine Durchsage, kein Schaffner weit und breit und keine Anzeige am Bahnsteig! Ich schaue mich um und sehe, dass ich der einzige Fahrgast im Großraumwagen bin. Habe ich wegen meines Kopfhörers eine Durchsage verpasst? Sind die anderen Fahrgäste bereits längst in andere Züge umgestiegen?

 

Aber nein! Ich höre, wie die Mädchengang im Alter zwischen 6 und 10 Jahren, die mir schon am Bahnsteig in Köln aufgefallen ist, das Abteil hinter mir zerlegt. Und von ihren Eltern höre ich verzweifelte Versuche zu beruhigen. Sind das vielleicht auch Fußballfans, die einfach sauer werden, dass sie nicht rechtzeitig zu Hause sein werden??

 

Und es wird immer später und dieser Zug bewegt sich einfach nicht. So langsam werde ich auch echt sauer. Warum ich? Warum immer wieder ich? Gibt es eigentlich keine pünktlichen Züge mehr? Sollte ich demnächst immer mit Auto fahren? Was für ein Glück, dass gerade kein Schaffner greifbar ist.

 

Und wirklich übel gelaunt bin ich, als mir eine freundliche Durchsage mitteilt, dass wir noch einige Minuten hier stehen werden, damit ein bevorrechtigter ICE durchfahren kann. Oh nein, das ist genau der ICE, den ich ursprünglich gebucht hatte. Der ICE, den ich völlig entspannt und stressfrei in Frankfurt hätte nehmen können - ohne Vollsprint und Hektik! So ein Mist!

 

Nach dieser Zwangspause in Kamen ruckelt der Zug endlich weiter und ich komme um 20:20 Uhr in Hamm an - rund 30 Minuten nach meinem ursprünglich gebuchten ICE - der war übrigens bis auf 3 Minuten pünktlich! 

 

Tja, ich schnappe mir mein Auto und komme gerade noch rechtzeitig zu Hause an, um den Abpfiff der ersten Halbzeit mitzuerleben! Manchmal läuft es einfach nicht!

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